Es schreibt: Petr Brod

(27. 2. 2025)

Die Memoiren des Journalisten (und Arbeiters während der sogenannten „Normalisierung“) Jiří Goldschmíd sind ein Rückblick auf das Leben eines Intellektuellen, der aufgrund seiner jüdischen Herkunft alle Grausamkeiten des Naziregimes erlebte und sich, nachdem er diese Verfolgung wie durch ein Wunder überlebt hatte, vehement in das berufliche und öffentliche Leben stürzte, in dem er eine befriedigende Arbeit, aber auch viele Fallstricke im Zusammenhang mit der Nachkriegsentwicklung der Tschechoslowakei vorfand. Dahingehend weist sein Schicksal zahlreiche Parallelen zu vielen anderen Angehörigen seiner Generation auf, und auch seine Memoiren erinnern in vielerlei Hinsicht an die Memoiren vieler seiner Zeitgenossen, die nach dem Fall des Kommunismus in diesem Land veröffentlicht wurden. Ich denke da zum Beispiel an die Autobiographie des Historikers Toman Brod (mein Cousin zweiten Grades, nur vier Jahre jünger als Goldschmíd).

 

Die Lebenswege dieser Zeitgenossen weisen viele Gemeinsamkeiten auf. Chronologisch gesehen war das Erste ihre Jugend in den meist assimilierten jüdischen Familien der Ersten Republik, in denen die Religion nur eine marginale Rolle spielte und deren Mitglieder sich hinsichtlich ihrer Nationalität als Tschechen verstanden. Der erste große Schlag für ihren sozialen Status und ihre Identität war die nationalsozialistische Okkupation und ihr erzwungener Ausschluss aus der nationalen Gemeinschaft – für viele von ihnen war dies überhaupt der erste starke Impuls, sich mit ihrer eigenen Herkunft bewusst auseinanderzusetzen. Es folgte der physische Terror durch das Hitler-Regime, der für eine kleine Minderheit mit der Befreiung 1945 endete. Bei vielen von ihnen verzeichnet man eine natürliche Neigung zur politischen Linken, die v. a. von der Kommunistischen Partei vertreten wurde, und eine Bewunderung für die Sowjetunion als Befreierin Osteuropas. Damit verbunden war eine positive Einstellung zur Eingliederung der Tschechoslowakei in den Ostblock und zur Beteiligung am Aufbau des Sozialismus im Sinne des Marxismus-Leninismus, der als wirksamste Garantie dafür angesehen wurde, dass sich die Schrecken der jüngsten Vergangenheit nicht wiederholen würden. Zweifel kamen in den Köpfen dieser engagierten jungen Menschen erst in den 1950er und 1960er Jahren auf, u. a. im Zusammenhang mit dem antisemitischen Prozess gegen den ehemaligen Generalsekretär der Kommunistischen Partei Rudolf Slánský und seine Mitangeklagten, und im Zusammenhang mit der Verfolgung Tausender von Nicht-Parteimitgliedern und mit den Aufständen gegen die Kommunisten in der DDR, Polen und Ungarn. Die Überlebenden der Shoah in den Reihen der Regierungspartei wurden so allmählich Teil einer breiteren Strömung von Befürwortern von Reformen und der Suche nach einem neuen tschechoslowakischen Weg zum Sozialismus „mit menschlichem Antlitz“, der in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre den politischen Durchbruch schaffte (und eine Machtniederlage erlitt). So waren z. B. Eduard Goldstücker und František Kriegel prominente Vertreter dieser Strömung in der Reformbewegung der ČSSR.

 

Beide erwähnten Persönlichkeiten unterschieden sich von Jiří Goldschmíd jedoch dadurch, dass sie die deutsche Besetzung der Tschechoslowakei im Exil überlebt hatten und in der „Volksrepublik“ nach dem Februar 1948 wichtigere Positionen innehatten als er. Goldschmíd durchlief den Kalvarienberg einer Reihe von Internierungs- und Vernichtungslagern, worüber er sachlich und zurückhaltend schreibt, nach dem Krieg holte er schnell sein Abitur nach und studierte Französisch und Englisch an der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität in Prag. Bereits während seines Studiums beteiligte er sich an den politischen Aktivitäten der kommunistischen Studenten, betätigte sich in der internationalen Studentenbewegung und unternahm seine ersten Auslandsreisen. Was seine Memoiren von den meisten Memoiren tschechischer und slowakischer Holocaust-Überlebender deutlich unterscheidet, ist die Akzentuierung des Werdegangs nach der Befreiung. Das zeigt sich schon daran, dass die Erfahrungen der Zeit bis 1945 im Vergleich zur Nachkriegszeit einen kleineren Raum einnehmen (der Herausgeber schätzt ein Verhältnis von 15 zu 85 Prozent).

 

Das Buch bietet somit viele Details für diejenigen, die sich für unterschiedliche Aspekte interessieren – etwa für die Verhältnisse in der Ersten Republik, die nationalsozialistische Judenverfolgung, über den Machtkampf in der Nachkriegszeit, die Tätigkeit der staatlichen Medien im kommunistischen System, die Situation in den ehemaligen Kolonialländern, bis zum „Prager Frühling“ von 1968 und seiner Niederschlagung durch die Invasionen des Warschauer Paktes, sowie den Anfängen der nachfolgenden „Normalisierung“ und der Position ihrer Opfer, zu denen der Autor gehörte. Er wurde im Auslandsnachrichtendienst der Tschechoslowakischen Presseagentur (ČTK) angestellt und machte dort eine bemerkenswerte Karriere.

 

Seine universitäre Ausbildung, sein Interesse an der Weltpolitik und seine politischen Überzeugungen prädisponierten Goldschmíd unter den gegebenen Umständen für eine solche Tätigkeit. Mit Ausnahme der Jahre 1951 bis 1953, in denen er seinen Wehrdienst ableistete, verbrachte er fast ein Vierteljahrhundert bei ČTK, von seinem Eintritt 1949 bis zu seinem erzwungenen Ausscheiden 1974. Neben seiner direkten redaktionellen Arbeit war er u. a. für die Kontakte zu den Nachrichtenagenturen in Ost und West verantwortlich. Besondere Aufmerksamkeit widmet er in seinen Memoiren, die zwischen 1985 und 2002 geschrieben wurden, der von ihm initiierten und geleiteten internationalen Schule für Agenturnachrichtendienst und -technologie, die unter der Schirmherrschaft von ČTK in den Ländern der Dritten Welt, die ab der zweiten Hälfte der 1950er Jahre unabhängig wurden, tätig war. Die Schilderung der Aktivitäten dieser Organisation, die der Autor von 1959 bis 1969 leitete, und der damit verbundenen Missionen in Afrika und Asien nimmt ein Drittel des Buches ein und ist von einem optimistischen Ton getragen, der nicht nur durch die Aufbruchsstimmung in den aus der Kolonialherrschaft hervorgegangenen Ländern und den Enthusiasmus ihrer sich bildenden Eliten, sondern auch durch die Lockerung der Beziehungen zwischen Ost und West erzeugt wurde. Dies ermöglichte auch mehrere Reisen des Autors nach Westeuropa. Einige der Passagen, v. a. diejenigen über mehrere Monate in Westafrika, sind voller Exotik und Abenteuer. Die Kurse, die Goldschmíd in den neuen unabhängigen Ländern wie Ghana und Mali für junge Journalismus-Adepten anbot, waren für ihre Teilnehmer sicherlich von Nutzen und erleichterten vielen den Einstieg in die Medienwelt, aber was der Veranstalter nicht reflektiert, ist ihre Rolle in der Propagandaoffensive des Sowjetblocks in den Entwicklungsländern, die unabhängig von der „Entspannung“ zwischen Moskau und Washington durchgeführt wurde. Vom Autor unreflektiert bleibt eines der Hauptziele der kommunistischen Entwicklungshilfe, nämlich die führenden Kräfte der neuen unabhängigen Länder an die Strategie des Weltkommunismus zu binden und sie zum Teil vor der „Gefahr“ aus dem Fernen Osten während des Konflikts zwischen der UdSSR und Maos China zu „schützen“.

 

Bei der Schilderung seines beruflichen Aufstiegs beschweigt Goldschmid explizit auch die privilegierte Stellung, die er v. a. in den 1960er Jahren gegenüber denjenigen einnahm, die nicht Mitglieder der Kommunistischen Partei waren. Er spricht zwar auch von Konflikten innerhalb der ČTK, doch seine Reiseaufzeichnungen zeigen deutlich, dass sich ihm viele Möglichkeiten eröffneten, einen Großteil der Welt auf eine Weise zu erkunden, die der „unparteiischen“ Mehrheit der tschechoslowakischen Bevölkerung lange Zeit verwehrt blieb. Der Wendepunkt in seinem Leben kam, wie für viele seiner Altersgenossen, im Zusammenhang mit dem „Prager Frühling“ von 1968 und dessen gewaltsamen Ende.

 

Ende 1967 war Goldschmíd bereits zum Vorsitzenden des Betriebskomitees der Kommunistischen Partei gewählt worden und blieb auch im folgenden Jahr, einem der „intensivsten meines Lebens“ (S. 213), den reformistischen Ideen der neuen Dubček-Führung treu. Die Rache der Stalinisten und derjenigen, die schnell die Seite wechselten, ließ nach der Militärintervention unter Führung der Sowjets nicht lange auf sich warten. 1970 wurde Goldschmíd als Revisionist aus der Partei ausgeschlossen, und es ist erstaunlich, dass er noch vier Jahre lang in der ČTK bleiben durfte, wenn auch in untergeordneten Positionen. Doch dann kam der tiefe Karrieresturz – die nächsten 15 Jahre verbrachte er als Lkw-Fahrer, Beifahrer und Arbeiter bei „Železniční stavitelství“ (Eisenbahnbaugesellschaft), die letzten acht Jahre als arbeitender Rentner. Was er über die Arbeitsbedingungen schreibt, erinnert ein wenig an die aktuelle tschechische Fernsehserie Volha (Wolga), allerdings ohne das komödiantische Element dieses exemplarischen Beispiels für die Vorgänge in der zutiefst korrupten und heuchlerischen Gesellschaft der Husák-Ära. Aus seiner Sicht war diese Zeit „eine jener Jahre, die man überleben konnte, aber als drittklassiger Bürger, mit allem, was dazugehört“ (S. 250).

 

Nach einem Herzinfarkt im Jahr 1984 war Goldschmíd nicht mehr in der Lage, mit seinem Lastwagen durch die Republik zu fahren, und wurde zu leichteren Arbeiten beim Bau der Prager U-Bahn versetzt. Dort erlebte er trotz aller Entbehrungen ein Gefühl der Befriedigung durch eine zielgerichtete Tätigkeit, das ihn auch nach seiner Pensionierung 1989 nicht verließ. Auch nach der Samtenen Revolution blieb die U-Bahn für ihn ein Symbol dafür, dass auch problematische Zeiten etwas Sinnvolles hervorbringen könnten. Wie viele andere, die eine ähnliche Entwicklung durchgemacht haben, wollte Goldschmíd die Ideale seiner Jugend und die Art und Weise, wie er versuchte, sie zu verwirklichen, nicht ganz verstoßen. Von diesem Standpunkt aus, der links von der politischen Mitte liegt, bewertet er in den letzten Kapiteln die postsowjetischen Entwicklungen im eigenen Land und in der Welt. In Anbetracht der Tatsache, dass er diese Passagen um das Jahr 2000 abgeschlossen hat, ist dies jedoch der schwächste Teil des Buches, der von den Ereignissen des letzten Vierteljahrhunderts, das reich an revolutionären Veränderungen war, überschattet wird.

 

Der Autor starb 2004 und seine Familie beschloss erst nach langer Zeit, das Manuskript seiner Memoiren als Buch zu veröffentlichen. Das Material wurde mit Versen und Skizzen aus dem Nachlass sowie einer Reihe von Dokumenten und Fotos ergänzt und dem Historiker und Archivar Tomáš Rataj übergeben. Er kümmerte sich um die Herausgabe, und es muss betont werden, dass nur wenige Bücher dieser Art, die auf dem tschechischen Buchmarkt erscheinen, einen so sachkundigen, sorgfältigen und gründlichen Herausgeber finden. Neben den Anmerkungen, in denen er einige Informationen des Originaltextes ergänzt oder korrigiert, hat Rataj die Publikation mit einigen der üblichen Beilagen wie Registern und Bibliographien versehen. V. a. aber hat er das Buch mit einer ausführlichen redaktionellen „Anmerkung“ von zwölf Seiten bereichert, in der die Entstehung und die sprachlichen Merkmale des Textes erläutert werden, sowie mit einem zwanzigseitigen Essay mit dem Titel Am Rande der Memoiren von Jiří Goldschmíd, der das Werk in seinen zeitgenössischen Kontext stellt und seine grundlegenden Merkmale analysiert. In gewisser Weise ist der Text von Rataj die beste Rezension, die Goldschmids Buch hätte bekommen können.

 

Übersetzung: Lukáš Motyčka

 

 

Jiří Goldschmíd: Vzpomínky (1925–2002). Zur Herausgabe vorbereitet von Tomáš Rataj. Dolní Břežany: Scriptorium, 2022, 360 S.


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